… kurz gesagt die Grundlagen meiner Religion. Dazu gehört der Glaube an die Einzigkeit Gottes, an den Qur’an (Koran) als Wort Gottes und an die Prophetschaft Muhammads als Überbringer dieser Botschaft. Die unverhandelbare Autorität des Qur’ans ist ein nicht unwesentlicher Punkt in einer Zeit, wo es auf nicht-muslimischer Seite Stimmen gibt (und manchmal sogar auf muslimischer), die fordern, Muslime müssten missliebige Stellen aus dem Qur’an eliminieren oder sich zumindest davon distanzieren – wenn man nicht überhaupt den Qur’an als Ganzes verbieten will. Nebst dem Qur’an gehören auch die Prophetenüberlieferungen (Hadith) zu den Grundlagen des Islam, wenngleich nicht mit derselben Autorität wie der Qur’an.
Unverhandelbar ist für mich aber auch die Freiheit des Denkens. Aus dieser Freiheit heraus kann alles hinterfragt werden, selbst die Existenz Gottes. Es kann im Islam nicht um ein blindes Befolgen von Regeln gehen, sondern um eine aktive Auseinandersetzung mit den «Zeichen Gottes». Zu diesen Zeichen Gottes gehört die Schöpfung mit ihren Gesetzmässigkeiten aber auch die spirituelle Erfahrung von der Nähe Gottes. «Gott ist dir näher, als deine Halsschlagader» heisst es an einer Stelle. Als Zeichen Gottes werden aber auch die Qur’an-Verse bezeichnet. Und gerade weil der Qur’an in einem so strengen, radikalen Sinne als Gotteswort gilt, darf kein Mensch sich anmassen, die endgültige Fassung oder die wahre Bedeutung zu kennen. Die theologische Unendlichkeit des Qur’ans hatte für die klassische muslimische Theologie stets zwingend die hermeneutische Offenheit zur Folge. Der göttliche Text braucht den Menschen, der ihn vorträgt, und die Menschen sind verschieden. Erst der Mensch bringt als Interpret und Vortragender den Qur’an zu aktuellem Dasein. Wenn nicht bleibt der Qur’an nur «eine aufgezeichnete Schrift zwischen zwei Buchdeckeln, die nicht spricht» wie Imam Ali, der vierte Khalife einmal gesagt haben soll. «Deshalb ist ein Dolmetscher unverzichtbar, und sind es die Menschen, die von ihm sprechen.» Soweit Imam Ali. Der Qur’an ist vielschichtig und bedarf deshalb der Interpretation und Reinterpretation – es ist ein stetes Ringen um ein adäquates Verständnis der göttlichen Wahrheit. Wichtig aber ist, dass das Wissen, das ich dadurch gewinne und meine Interpretationen eben meine Erkenntnisse sind, die niemals mit der göttlichen Wahrheit selbst verwechselt werden dürfen.
Unverhandelbar ist auch die Religionsfreiheit. In meinem Verständnis gilt die Aussage im Qur’an «Es gibt keinen Zwang in religiösen Dingen» (Q. 2, 256) absolut. Es geht also nicht nur darum, dass niemand zum Muslimsein gezwungen werden darf, sondern auch frei ist, einen anderen oder keinen Glauben zu haben.
Ebenso unverhandelbar ist die Würde des Menschen. Wenn man davon ausgeht, dass alle Menschen Gottes Geschöpfe sind, ist der Anspruch unverhandelbar, dass allen Menschen qua ihres Menschseins die gleiche Würde zukommt ungeachtet ihrer Religion und ob sie Gläubige sind oder nicht. Oder wie ein Hadith sagt: «Der Beste unter den Menschen ist derjenige, der seinen Mitmenschen am nützlichsten ist.»