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Startseite > startseite > Verhüllung – Die Burka-Debatte in der Schweiz

Verhüllung – Die Burka-Debatte in der Schweiz

Die «Burka» werde viel häufiger in Medien und Politik diskutiert, als dass sie auf der Strasse tatsächlich anzutreffen sei, stellen die Autor*innen der Studie zur Verhüllung fest. Dieses Missverhältnis widerspiegele sich auch in der wissenschaftlichen Forschung, in welcher weitaus häufiger die Debatten über die Vollverhüllung untersucht würde als das Nikab-Tragen als solches.

Beitrag von Rifa’at Lenzin, Präsidentin IRAS COTIS zum Buch «Verhüllung. Die Burka-Debatte in der Schweiz» von Andreas Tunger-Zanetti

In ihrer Studie konzentrieren sich die Islamwissenschaftler und Studentinnen der Religionswissenschaft der Uni Luzern auf zwei Themenbereiche. Einerseits auf die Frage, wie viele Frauen in der Schweiz einen Gesichtsschleier tragen und welches ihre Beweggründe sind, und zum anderen auf die Analyse des Diskurses zur Vollverschleierung oder – wie sie landläufig genannt wird – «die Burka-Debatte». Weder zum einen noch zum anderen gibt es bis anhin Studien in der Schweiz. Mit diesem Ansatz betreten die fünf Autorinnen und Autoren also Neuland.

Eingebettet in eine kurze Übersicht über die Geschichte des Gesichtsschleiers ist ein Exkurs über die ganze Verhüllungsproblematik in Christentum und Islam. Das macht Sinn, weil in Bezug auf den Islam gerade auch bei Medienschaffenden grosse Unwissenheit herrscht.

Interessant ist das Kapitel zum Forschungsstand in Europa, das aufzeigt, dass wissenschaftliche Publikationen, die sich primär der Vollverhüllung widmen, rar sind. Es ist nicht einfach, effektive Zahlen für im Land lebende Nikab-Trägerinnen zu ermitteln. Überall in Europa liegen diese Zahlen im Promillebereich; es handelt sich also um eine winzige Minderheit innerhalb einer Minderheit. Für die Schweiz kommen die Autor*innen auf eine Zahl zwischen zwanzig und dreissig. In der Schweiz gab es im öffentlichen Raum nur eine einzige Stimme einer Nikab-Trägerin, welche im März 2020 mit dem frühen Tod von Nora Illi verstummt ist. Es ist das Verdienst dieser Studie, einzelne andere Stimmen ausfindig gemacht zu haben, die bereit waren zu einem Interview, und damit eine Innensicht zu vermitteln. Die Zurückhaltung von Nikab-Trägerinnen ist verständlich angesichts ihrer Erfahrung, wegen ihrer Kleidung verbal oder physisch angegriffen und beleidigt zu werden.

Dabei zeigt sich überall in Europa ein ähnliches Bild: «Demnach sind Nikab-Trägerinnen mehrheitlich nicht erst kürzlich immigriert, sondern im Westen sozialisiert; nicht schlecht, sondern durchschnittlich bis sehr gut gebildet; nicht unter dem Druck von Ehemann oder Vater verhüllt, sondern – oft gegen dessen Willen – aus eigener Überzeugung; nicht sprachlos, sondern mehrheitlich zum Gespräch bereit; mehrheitlich nur locker oder gar nicht mit salafistisch orientierten Organisationen verbunden und in der Schweiz auch untereinander nicht als Gruppe organisiert. Ihre Kleiderwahl hat für sie selbst viel mit der Gestaltung ihrer persönlichen Frömmigkeit zu tun, darüber hinaus auch mit der Inszenierung der eigenen Erscheinung im öffentlichen Raum. Das Tragen eines Gesichtsschleiers erweist sich in vielen Fällen als Episode der Biografie. Dementsprechend lässt sich auch keine kontinuierliche Zunahme der Anzahl Nikab-Trägerinnen belegen, erst recht nicht für die Schweiz, wo im Gegenteil einzelne Fälle von Ausreisen und Aufgabe der Gesichtsverschleierung zu finden sind.» Beim Gesichtsschleier handelt es sich um ein Phänomen der Moderne, das die Autoren mit umfassenden Prozessen der Individualisierung, Pluralisierung und Globalisierung erklären, ist der Typ Gesichtsschleier – der Nikab – doch derselbe von Kairo über Luzern bis nach Toronto.

Breiten Raum nehmen in der Studie die Mediendiskurse und ihre Analyse ein. Ergänzt mit einer ausführlichen Darstellung der politischen Debatte um ein Verhüllungsverbot in der Schweiz, mit den zum Teil parallel laufenden und nahtlos ineinander übergehenden Minarett- und «Burka-Debatte(n)».

Ziel der Diskursanalyse ist es, Grundstrukturen des Schweizer Diskurses sichtbar zu machen. Worüber wird besonders häufig gesprochen? Worüber so gut wie nie? Was halten die Beteiligten auf welcher Grundlage für wahr? Welche Haltungen und Motive werden hinter den Argumenten sichtbar und welche Strukturen führen dazu, dass sich die einen an diesem Diskurs aktiv beteiligen, andere nur passiv oder gar nicht?

Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass verbotsbefürwortende Stimmen und Erwägungen deutlich mehr Platz eingeräumt wird als ablehnenden. Muslimische Stimmen gegen ein Verbot – obschon vorhanden – fehlen weitgehend. Das gleiche gilt für Frauen, die einen «Schleier» tragen. Deshalb fehlen auch ihre Sichtweisen auf den «Schleier». Anwaltschaftliche, nicht muslimische Vertreterinnen oder Vertreter kommen ebenfalls praktisch nicht vor. Verbotsgegner wagen kaum Aussagen, da sie das Feld vollverhüllter Frauen ebenso wenig kennen wie die Verbotsbefürworter.

Diese jedoch scheuen sich nicht, von angeblichen Verhältnissen in Iran oder Afghanistan bruchlos auf die Situation Nikab tragender Frauen in der Schweiz zu schliessen. Das Wort «Schleier» ist in den Sprachen Westeuropas seit langem negativ konnotiert. Wer etwas verschleiert, hat aus zweifelhaften Gründen etwas zu verbergen. Der Sprachgebrauch ist häufig unsicher und unklar, Burka, Nikab, Salafismus – was ist damit genau gemeint? Zum Ausdruck kommt in den Debatten auch das für viele schwierige Verhältnis zum Thema Religion.

Im medialen Diskurs wird immer wieder auf Länder oder Regionen hingewiesen, die bereits ein Verhüllungsverbot kennen. Kein Thema ist hingegen die grosse Mehrheit von Kantonen oder Ländern, die ein Verbot zwar diskutierten, aber ablehnten, z.B. Glarus oder Dänemark.

Im Bezug auf die Gesichtsverhüllung scheint es unter Diskursteilnehmern Konsens zu sein, dass eine dermassen sonderbare Kleidung keinesfalls freiwillig getragen werde; sie müsse vielmehr damit zu tun haben, dass bekanntlich «der Islam Frauen unterdrückt». Solche Annahmen sind auch unter Stimmen, die ein Verbot ablehnen allgegenwärtig. Dass diese Annahmen der empirischen Forschung widersprechen, stört nicht weiter.

Gemäss dem medialen und politischen Diskurs ist die typische Nikab-Trägerin in Europa (wir sprechen hier nicht von Touristinnen aus dem arabischen Raum) eine hilf- und sprachlose Frau, die archaische Kleidungssitten entweder unter dem Druck der Männer in ihrem Umfeld oder aus eigener extremistischer Gesinnung heraus pflegt. Befürworter und Gegner eines «Burka-Verbots» gehen dabei oft von den gleichen Annahmen aus. «Die Gesellschaft wäre im einen Fall aufgefordert, sie aus der Gewalt der Männer zu befreien, im anderen Fall, ihr diese Ausdrucksmöglichkeit ihrer Gesinnung zu versperren. Die Debatte dreht sich vordergründig lediglich noch um die Frage, ob ein Verbot für eine solche ‹Befreiung› der richtige Ansatz ist.»

Geht es bei dieser Debatte also letztlich darum, «den Islam» zu (mass)regeln? «Die Debatte verhandelt an der Oberfläche die Gesichtsverhüllung muslimischer Frauen, möchte sich aber im Kern vergewissern, was das Eigene ausmacht: Was habe ich der scheinbar starken, religiös motivierten Identität einer sich so stark markierenden Muslimin entgegenzusetzen? Habe ich noch eine religiöse Identität? Kann ich sie gegenüber anderen in Worte fassen? Gibt sie mir Heimat? Positive Botschaften zu solchen Fragen sind schwer zu finden, vor allem wenn sie nicht fundamentalistisch klingen sollen. Als Ausweg bietet es sich an, das Eigene wenigstens durch Abgrenzung vom ‹Anderen› zu bestimmen. Was böte sich da besser an als das emblematische Andere unserer Zeit, ‹der Islam›? Alles, was mir an meinem eigenen Verhältnis zur Religion unverständlich ist, kann ich abspalten und auf den Islam projizieren. ‹Experten›, die mir bestätigen, dass ‹der Islam› archaisch und nicht mit der Moderne oder den Menschenrechten kompatibel ist, finden sich leicht.»

Die Debatte um ein Verhüllungsverbot verhandelt nach Ansicht der Autor*innen also in erster Linie die eigene kollektive und auch individuelle Identität. Auf die Frage «Wer bin ich und zu welchem ‹Wir› gehöre ich?» ist in einem Europa mit hoher kultureller Diversität keine einfache Antwort zu finden. «Der Islam» wirkt mit seiner vermeintlich unerschütterlichen, klaren und gerade dadurch unheimlichen religiösen Praxis Katalysator und Projektionsfläche für jene Identitätsdebatten, ohne doch ihr wichtigster Gegenstand zu sein. Deshalb konnte eine verschwindend kleine Zahl von Nikab-Trägerinnen durch ihr blosses Vorhandensein der Debatte um ein Verhüllungsverbot als Auslöser genügen. Eine einzige von ihnen, Nora Illi, hat ihr einige Jahre aktiv Nahrung gegeben und damit als willkommener Reibungspunkt gedient.

Gespannt darf man sein, ob und welche Auswirkungen das Corona-bedingte Maskentragen im öffentlichen Raum auf die «Burka-Debatte» haben wird. Ob es tatsächlich zu mehr Gelassenheit im Umgang mit der Gesichtsverschleierung führt, wie eine der in der Studie befragte Nikab-Trägerin zu spüren glaubt.

 

Andreas Tunger-Zanetti ist promovierter Islamwissenschaftler, war Auslandredaktor der Neuen Luzerner Zeitung und arbeitet heute am Zentrum Religionsforschung der Universität Luzern als Forscher, Dozent und Geschäftsführer. Kontakt: andreas.tunger@unilu.ch

Verhüllung. Die Burka-Debatte in der Schweiz
Andreas-Tunger-Zanetti. Unter Mitarbeit von Cornelia Niggli, Asia Petrino, Noémie Marchon, Julia Meier und Lea Wurmet
160 Seiten, 5 Abb., gebunden Fr. 29.–, Euro 29.–
Print 978-3-03919-530-5, E-Book 978-3-030919-976-1

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