religion.ch: «Mama, wo wohnt Gott?» – Religion an Kinder weitergeben

Zürich, 21. März 2022 – Religiöse Erziehung hat ein Imageproblem – gerade in einer Gesellschaft, die sich immer weiter von Religion distanziert. Oft sehen sich Eltern mit grossen Herausforderungen konfrontiert: Wie können sie ihren Kindern religiöse Werte vermitteln, ohne ihnen dabei die Freiheit für eigene Entscheidungen zu nehmen? Auf religion.ch werfen wir einen Blick hinter die Kulissen.

In ihrem Artikel auf religion.ch berichtet Yasemin Duran, eine muslimische Religionspädagogin, über ihre Vorstellungen einer muslimischen Erziehung. Ihrer Meinung nach soll die religiöse Erziehung im Islam im Sinne des Korans mit Liebe und Barmherzigkeit geschehen: «Eine gute, positive und durch Liebe geprägte Verbundenheit zu Gott wird die Kinder lebenslang begleiten. Hingegen wird eine negative, mit Strafen und Mahnungen besetzte Beziehung zu Gott die Kinder in späteren Jahren von der Religion entfernen», meint die 51-Jährige. Ihre Sicht auf die muslimische Erziehung kollidiert nicht selten mit dem Bild über die Religion, das in der Schweizer Bevölkerung verbreitet ist. So erstaunt auch folgender Kommentar zu ihrem Beitrag nicht: «Hübsche Rosafärbung. Die Farbe hält jedoch nicht lange. Dazu braucht man nur eine Frage stellen: Wie passt das alles zusammen mit der Zwangsbeschneidung?»

Stimmen, wie jene von Yasemin Duran, die ein Gegennarrativ zum gewalttätigen, extremen Islam bieten wollen, erscheinen angesichts der überwiegend negativ geprägten öffentlichen Meinung über den Islam als unglaubwürdig. Sie stehen nicht im Einklang mit dem Bild «vom Islam», der fälschlicherweise oft als homogener Block von Lehren und gelebter Religion betrachtet wird.

Der Kampf gegen das Imageproblem

«Der Islam» hat den Ruf, eine rückständige, Frauen verachtende und gewaltfördernde Religion zu sein. Kurzum: Der Islam hat ein Imageproblem – wie viele Religionen in der Schweiz. Immer mehr Menschen können sich nicht länger mit einer Religion identifizieren und religiöse Deutungssysteme erscheinen ihnen immer weniger plausibel. Dem religiösen Freizeitangebot steht ausserdem eine grosse Konkurrenz aus säkularen Angeboten gegenüber: Wer möchte noch in die Kirche am Sonntagmorgen, wenn sich doch endlich mal Zeit zum Ausschlafen bietet?

In einer solchen Gesellschaft sind nicht nur muslimische Eltern wie Yasemin Duran damit konfrontiert, sich für die religiöse Erziehung der eigenen Kinder rechtfertigen zu müssen. Auch christliche Eltern müssen sich oft der Frage stellen, warum sie ihren Kindern nicht die Wahl lassen, sich später selbstständig für oder gegen eine Glaubensgemeinschaft zu entscheiden. Eine religiöse Erziehung wird von vielen als übergriffig empfunden. Nehmen Eltern ihren Kindern mittels religiöser Erziehung die Freiheit, sich gegen Religion zu entscheiden? Oder ist eine nicht-religiöse Erziehung auch schon die Vorwegnahme einer Entscheidung? Ist eine nicht-religiöse Erziehung also tatsächlich mit mehr Freiheit und Autonomie verbunden?

Ist eine religiöse Erziehung noch zeitgemäss?

Religiös zu sein, gilt heute kaum mehr als cool. Spricht ein Kind in der Schule von Jesus oder Mohammed, läuft es Gefahr ausgegrenzt zu werden. Was sollen Eltern ihren Kindern beibringen? Dass es zwar richtig ist, die Welt aus religiösen Augen zu betrachten, es das aber niemandem mitteilen soll?

Studien und «Umfragen am Frühstückstisch» zeigen jedoch, dass Kindern ihre eigene religiöse Erziehung und die ihrer Kamerad:innen gar nicht so bewusst sind. Sie wissen vielleicht, dass sie christlich sind oder einige ihrer Kolleg:innen kein Schweinefleisch essen – weiter spielt es für sie jedoch kaum eine Rolle, welche Religion sie haben.

In Konkurrenz

Wenn sich die Kinder lieber mit Pokémon als mit Jesus auseinandersetzen oder Farid Bang und eben nicht Mohammed als Vorbild haben, bekommen manche Eltern Angst, ihre Kinder würden den Glauben verlieren. Wie sollen Kindern religiöse Werte mitgegeben werden, die diesen Figuren teilweise diametral entgegenstehen? Yasemin Duran schreibt dazu: «In Situationen, in denen Kinder Fehler begehen oder sich andere Lebensweisen aussuchen, fordert uns Allah im Qur’an in der Sura Taghabun, Vers 14 auf, nachsichtig zu sein, zu verzeihen und zu vergeben.»

Diesen und weiteren Fragen gehen unsere Expert:innen auf religion.ch in einer spannenden Artikelserie nach. Lesen Sie mehr dazu auf www.religion.ch.